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Psychologie des Terrors: "Tagsueber hackte er Koepfe ab. Abends sorgte er sich um seine kranken Kinder"
(zu alt für eine Antwort)
Fred Alph
2023-11-11 16:21:20 UTC
Permalink
Judith Blage, 11.11.2023,
Psychologie des Terrors:
«Tagsüber hackte er Köpfe ab.
Abends sorgte er sich um seine kranken Kinder»

Was geht im Hirn von Terroristen vor? Jan Ilhan Kizilhan behandelt
sowohl Islamisten als auch ihre schwerst traumatisierten Opfer.
Der Mensch könne seine Empathie einfach ausschalten, sagt er,
und die religiöse Prägung entscheide mit, ob er das tue. (...)

Herr Kizilhan, Sie haben Tausende jesidische Frauen, die vom
IS versklavt und vergewaltigt wurden, nach Deutschland geholt
und dort psychologisch behandelt. Doch Sie besuchten auch IS-
Täter in irakischen Gefängnissen. Auch jetzt am 7. Oktober
haben Terroristen bestialische Verbrechen an Frauen und Kindern
verübt. Was sind das für Menschen, die das tun? Sind sie krank?

Jan Ilhan Kizilhan: Ich habe nicht nur Terroristen in iraki-
schen Gefängnissen und Deutschland besucht und begutachtet,
sondern wir behandeln sie auch. (...)

Was kann einen gesunden Menschen in die Lage versetzen, kleine
Kinder abzuschlachten und das für moralisch richtig zu halten?

Die Islamisten, die ich getroffen habe, waren überwiegend ge-
sunde Menschen, die mit ihrer Ideologie das legitimieren, was
sie taten. Natürlich gibt es immer individuelle Faktoren.
Sicher haben persönliche Gewalterfahrungen oder Missbrauch
einen Einfluss darauf, ob sich jemand leichter radikalisieren
lässt als andere. (....)

Wenn Sie erlauben, möchte ich zunächst ein paar Dinge zum Islam
sagen, damit ein paar Hintergründe besser verstanden werden können.

Bitte gerne.

Der Islam war nie eine friedvolle Religion, wie es heute viele
glauben möchten. Es gab laut den Schriften zwei Phasen in der
Entwicklung: Mohammed war zunächst in Mekka theologisch mit
sich beschäftigt und hatte dabei viel Inspiration aus dem
Christentum und dem Judentum. Doch dann musste er nach
Medina fliehen, und in dieser Phase liegt die Legitimierung
von Gewaltanwendungen an Ungläubigen begründet. Hier war es
aus Sicht des Islam rechtens, Zwangskonvertierungen durchzuführen,
zu töten und zu vergewaltigen. Die Muslime in der Mehrheit sind
friedlich, nicht aber der Islam. Diese Phase in Medina hat noch
heute Einfluss auf die theologische Sichtweise. Denn anders als
im Christen- und im Judentum stoppten radikale Gruppen Verän-
derungsprozesse, wenn die Religion angepasst werden sollte
an moderne Zeiten. (...)

Das Christentum ist nicht besser. Doch wir berufen uns nicht
mehr darauf im wörtlichen Sinn, und das liegt an bestimmten
gesellschaftlichen Meilensteinen und einer jahrhundertelangen
Aufarbeitungskultur. Die westliche Welt hatte Gutenberg, die
Reformation, die Aufklärung. Und dann die grosse Errungenschaft:

die Trennung von Religion und Staat, die Gewaltenteilung. Gewalt
darf nur durch den Staat ausgeführt werden, mit dem Ziel, Gewalt
zu reduzieren. Das und auch der Individualismus haben zu den
universalen Menschenrechten geführt. Auf diese Grundwerte
haben sich Menschen in den westlichen Ländern im Grossen
und Ganzen geeinigt – einige grosse Regressionen und Rück-
schritte inbegriffen, wie den Nationalsozialismus.

Und diese Meilensteine fehlen in islamischen Gesellschaften?

Wenn Neuerungen notwendig gewesen wären, kam es zu grossen
Brüchen, kaum jedoch zu Modernisierungen. So entwickelten sich
diese vielen verschiedenen Glaubensrichtungen:

Die Aleviten, die Sunniten, die Schiiten und so weiter sind zu-
tiefst gespalten, es gibt grosse innere Kriege in der islamischen
Welt – da ist der Westen seit etwa 150 Jahren ein willkommener
Gegner von aussen, der hilft, die Muslime zu einigen und mit
den inneren Konflikten besser umgehen zu können. Auch als
Reaktion auf den Kolonialismus des Westens und die erlittene
Demütigung kamen der arabische Nationalismus und die Muslim-
bruderschaft auf. Aber im Inneren der arabischen Gesellschaften
kam es nie wirklich zu fruchtbaren Veränderungsprozessen – und
so können Islamisten heute noch moralische Werte aus dem Jahr
632 nach Christus legitimieren, die andere Gruppen entmensch-
lichen und es erlauben, dass sie ihre Empathie einfach aus-
schalten können bei Bedarf. (...)
mehr:
https://www.nzz.ch/wissenschaft/psychologie-des-terrors-tagsueber-hackte-er-koepfe-ab-abends-sorgte-er-sich-um-seine-kranken-kinder-ld.1763311

FYI
Christoph Müller
2023-11-11 21:17:39 UTC
Permalink
Judith Blage, 11.11.2023, Psychologie des Terrors: «Tagsüber hackte
er Köpfe ab. Abends sorgte er sich um seine kranken Kinder»
Was geht im Hirn von Terroristen vor? Jan Ilhan Kizilhan behandelt
sowohl Islamisten als auch ihre schwerst traumatisierten Opfer. Der
Mensch könne seine Empathie einfach ausschalten, sagt er, und die
religiöse Prägung entscheide mit, ob er das tue. (...)
Die Prägung kommt nicht von der Religion, sondern von der Gruppe.
Jedenfalls dann, wenn man Religion als das Streben nach dem guten
Überleben der Menschheit auffasst. Eine Gruppe, die vorgibt, religiös zu
sein, muss demnach ihren Fokus auf dem guten Überleben der Menschheit
haben. Hat sie diesen Fokus nicht, ist die Gruppe auch nicht religiös.
Egal, mit welchen Symbolen, Begriffen, Riten, Bräuchen und Klimbim sie
arbeitet. Terroristen haben mit Religion nichts zu tun. Auch dann nicht,
wenn sie versuchen, ihre Schandtaten mit Texten aus dem Koran oder
sonstigen "heiligen Büchern" zu rechtfertigen.
--
Servus
Christoph Müller
www.astrail.de
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